Das Nokia 5800 XpressMusic Mobiltelefon – einige Erfahrungen
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14.05.09 21:45
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Nach sehr langem Zögern und viel Hin und Her habe ich mir vor zwei Wochen dann doch mal ein Nokia 5800 zugelegt. Und ich muss sagen, ich bereue es nicht. Ich bereue es nicht, mir das Gerät gekauft zu haben und ich bereue es auch nicht, so lange gewartet zu haben. Denn in Sachen Software ist in den fünf Monaten seit dem Erscheinen des 5800 einiges passiert; neue, deutlich verbesserte Firmware-Versionen sind erschienen aber auch Zusatzsoftware für die 5th Edition der S60-Oberfläche wurde entwickelt, ohne die ein solches Gerät natürlich keinen Spaß macht.
Da das Gerät nun schon vergleichsweise lange auf dem Markt ist und man schon sehr viel dazu im Internet lesen kann, will ich hier keinen klassischen allumfassenden Testbericht abliefern, sondern insbesondere ein Augenmerk auf einige spezielle Punkte werfen, über die oftmals geschwiegen wird.
___Kurzüberblick
+ Soundqualität
+ Ordnung der Zugangspunkte nach „Zielen“
+ Infofeld oben rechts, Schnellzugriffe
+ Einhandbedienung
- Kamera
- Fehlende Software (PDF, ZIP, Office, …)
___Kamera
Die unausgereifte Software war nur ein Grund, warum ich so lange mit dem Kauf gewartet habe, der zweite Grund war, dass ich mir nicht sicher war, ob ein solches Mittelklasse-Gerät wirklich mein N95 ersetzen kann – vor allem in Bezug auf die Kamera. Eine eindeutige Antwort auf diese Frage gibt es leider nicht, das 5800 schlägt das N95 in einigen Punkten doch die Kamera ist wirklich der gravierendste Schwachpunkt des Nokia-Touchscreen-Gerätes. Sie ist nicht völlig unbrauchbar, vergleichsweise schnell, der Autofocus funktioniert gut und die Farben sind auch nicht schlecht. Allerdings sind die Bilder verrauscht, worunter auch die Schärfe leidet, insgesamt ist die Bildqualität eher mit dem Nokia N80 vergleichbar als mit dem N73, das die gleichen Kameradaten aufweist wie das 5800.
___Zusatzsoftware
So riesig der Lieferumfang des Nokia XpressMusic-Gerätes in Bezug auf Zubehör ausfällt, so mickrig ist der Umfang der vorinstallierten Software – es gibt keine neuen Programme, statt dessen fehlen bekannte Anwendungen wie ZIP-Komponente, PDF-, Office- und Barcode-Reader, etc. Zum Glück kann man diese Programme mittlerweile nachinstallieren, wenn auch für das PDF-Programm immerhin 15 € fällig werden.
Was die hoch gelobte Abwärtskompatibilität angeht, fällt auf, dass vor allem die Programme funktionieren, die für S60 3rd Edition Featurepack 2 erstellt wurden. Noch ältere Software funktioniert dagegen teilweise nicht oder nicht richtig.
Zur Bedienung von nicht an die Touchoberfläche angepassten Java-Programmen werden auf dem Bildschirm virtuelle Navigations- und Auswahltasten angezeigt. Das ist zwar nicht gerade im Sinne des Erfinders des Touchscreens, aber es ist natürlich trotzdem sehr praktisch, um lieb gewonnene Java-Applikationen weiterhin benutzen zu können. Passend dazu gibt es im Programm-Manager die so genannten „Suite-Einstellungen“. Hier lässt sich für jedes installierte Java-Programm festlegen, welche Rechte es besitzt, welche Zugangspunkte verwendet werden sollen und ob die virtuellen Tasten angezeigt werden sollen. Somit lassen sich die nervigen Fragen bei jedem Start, ob GPS oder die Internetverbindung verwendet werden dürfen, nun endlich abschalten.
___S60 5th Edition Touch
Es war natürlich ein genialer Schachzug von Nokia, als erstes Gerät mit der neuen Touchoberfläche eines wie das 5800 zu veröffentlichen – preiswert, und doch mit allem Schnickschnack wie GPS, WLAN und HSDPA ausgestattet – es ist das optimale Testgerät für jeden Software-Entwickler. Nach dem Sprung von S60 2nd zu S60 3rd Edition dauerte es fast ein Jahr, bis wieder ein breit gefächertes Software-Angebot zur Verfügung stand. Die ersten Geräte mit der neuen Oberfläche, darunter teure Handys wie das N91 und das E60 waren in dieser Zeit nur eingeschränkt nutzbar. Diesmal wurde den Programmierern dagegen das Nokia 5800 zur Verfügung gestellt, ein halbes Jahr bevor die teuren Geräte wie Nokia N97 und Samsung Omnia HD auf den Markt kommen. Der Plan scheint aufzugehen, das Software-Angebot wächst, wenn auch nicht gerade rasend.
Aber was ist eigentlich neu an der neuen Benutzeroberfläche? Auf den ersten Blick nicht besonders viel, weshalb man oft liest, wer schon mit S60 gearbeitet habe, komme sofort zurecht. Natürlich ist nicht alles anders, aber doch so vieles, dass es schon einige Tage Umgewöhnungszeit braucht. Das Menü ist natürlich wie bisher frei sortierbar, doch viele bekannte Menüpunkte gibt es nicht mehr, sehr vieles wurde einfach in die Einstellungen integriert, was in gewisser Hinsicht ja auch konsequent ist. Profile, Themen, Sprachbefehle, Programm-Manager, Verbindungs-Manager, Bluetooth, WLAN, USB, Datentransfer, all diese Anwendungen, die man bisher meist im Ordner „System“ fand, sind jetzt unter dem Menüpunkt „Einstellungen“ zusammengefasst worden.
In den Verbindungseinstellungen lassen sich die Zugangspunkte jetzt so genannten „Zielen“ zuordnen, diese können z.B. „MMS“ oder „Internet“ heißen und enthalten dann beliebig viele Zugangspunkte, die für denselben Zweck bestimmt sind und nach Priorität geordnet werden können. So kann man z.B. mehrere WLAN-Zugangspunkte und einen UMTS-Zugangspunkt seines Netzanbieters dem Ziel „Internet“ zuordnen. Im Browser oder einem anderen Programm, das einen Internetzugang erfordert, wählt man als zu verwendenden Zugangspunkt dann einfach dieses Netzziel aus und ab sofort surft man automatisch immer über den Zugangspunkt mit der höchsten Priorität, also zu Hause über WLAN, unterwegs über HSDPA und im Lieblingscafé wieder über WLAN. Ich finde es absolut genial, es ist nur schade, dass einige Fremdanbieter-Programme die Netzziele nicht unterstützen sondern hier weiterhin ein bestimmter Zugangspunkt ausgewählt werden muss.
Die Themen lassen sich, wie teilweise auch schon bei S60 3rd Edition FP 2, animiert anzeigen. Das Nokia 5800 verliert dabei zwar minimal an Geschwindigkeit, aber mir gefallen diese Spielereien. Wer es nicht mag, kann die Animationen aber auch in den Themen-Einstellungen unter den Optionen ausschalten.
Ein weiterer Menüpunkt, den es nicht mehr gibt, ist „Speicherkarte“. Diese Funktionen wurden stattdessen in den Dateimanager integriert. Besonders positiv ist mir hierbei aufgefallen, dass man wöchentlich oder auch täglich automatisch den Inhalt des Telefonspeichers auf die Speicherkarte sichern lassen kann.
Auch die Anwendung „Mitteilungen“ wurde weiterentwickelt, man kann sich im Eingang und in den Mailboxen die Nachrichten jetzt nach Tagen sortiert anzeigen lassen und die alten Nachrichten mit einem Klick ausblenden. Vor allem beim Lesen von E-Mails finde ich das ganz praktisch.
Unpraktisch und geradezu störend ist dagegen die Inkonsequenz, mit der das Bedienkonzept umgesetzt wurde. Oft wird kritisiert, dass man auf Listenelemente manchmal doppelt klicken muss, um sie zu öffnen. Daran habe ich mich jedoch sehr schnell gewöhnt und das empfinde ich nicht unbedingt als Nachteil. Die störende Inkonsequenz liegt vielmehr in den Methoden, wie Kontextmenüs aufgerufen werden - manchmal muss man auf einen leeren Bildschirmbereich klicken, manchmal muss man auf ein Objekt klicken und geklickt halten und manche Befehle verstecken sich traditionell unter dem linken „Softkey“ alias „Optionen“. Somit findet man hilfreiche Funktionen rein zufällig – oder eben auch nicht.
Letztlich will ich noch auf einige Schnellzugriffe aufmerksam machen, die dank Touchscreen nun endlich realisierbar geworden sind: Ein Klick auf die linke (Quermodus) bzw. rechte (Porträtmodus) obere Ecke des Bildschirms öffnet eine Info-Box, in der man eine Verknüpfung findet zu den Verbindungseinstellungen, außerdem wird die Uhrzeit angezeigt und die aktuellen Statussymbole werden erklärt. Diese Erklärungen sind in der Regel auch direkt verlinkt. Weitere „versteckte“ Schnellzugriffe findet man in der Ausgangsanzeige, hier sind die Uhr und der Profilname direkt verlinkt.
___Hardware
Das Nokia 5800 ist als Plastikbomber verschrien und es stimmt natürlich auch, außer Kunststoff ist da nichts dran (abgesehen vom Kamera-Rahmen). Aber ich finde, so schlecht sieht es gar nicht aus, es ist relativ kratzfest (im Gegensatz zu poliertem Metall), sorgt für ein gutes Preis-Leistungsverhältnis und man hat auch nicht ständig Angst, etwas Teures kaputt zu machen. Lediglich auf Fingerabdrücke wirkt es leider äußerst anziehend. Man liest auch häufig, das Gerät sei schlecht verarbeitet und gebe ständig störende Geräusche von sich. Das ist mir bisher aber nicht übermäßig aufgefallen, lediglich im Bereich des Lautstärke-Reglers sind die Spaltmaße etwas zu groß, so dass hier auch Staub eindringen könnte.
Der Touchscreen wirkt trotz der sehr hohen Auflösung nicht ganz so brillant wie das Display des Nokia N80, aber die Farben sind gut und die Ablesbarkeit ist auch bei voller Sonneneinstrahlung gewährleistet. Man kann mit dem bloßen Finger mit wenig Druck durch alle Menüs navigieren und mit zwei Daumen problemlos auf der großen Qwertz-Tastatur tippen. Lediglich zum Scrollen sollte es dann doch lieber der Fingernagel sein. Will man etwas zeichnen oder die Handschrifterkennung nutzen, greift man am besten zum Stift, der sich hinten im Gehäuse befindet. Der hat zwar eine komische Form, ist in der Handhabung aber auch nicht unbequemer als andere.
Sehr gut gefällt mir, dass das Nokia 5800 für ein Touchscreen-Gerät sehr schmal ist. Es passt nicht nur gut in die Tasche, sondern vor allem lässt es sich komplett mit einer Hand bedienen, was bei den Konkurrenzmodellen nur sehr eingeschränkt möglich ist. Für Linkshänder wie Rechtshänder sind alle Tasten und Bildschirmelemente erreichbar, besonders schön finde ich den Sperrschieber rechts am Gehäuse. Von Slidern und Klapphandys ist man gewöhnt, das Gerät mit einer einzigen schnellen und intuitiven Bewegung sperren und entsperren zu können und jetzt ist das endlich auch bei einem Handy im Block-Design möglich.
Das Nokia 5800 hat schon eine ganz ordentliche Arbeitsgeschwindigkeit, doch wenn es wirklich hart auf hart kommt, merkt man, dass die Hardware nicht die allerschnellste ist. Das vorinstallierte 3D-Autorennspiel GlobalRace läuft z.B. weniger flüssig, als ich das von Nokia N95 und E90 gewohnt bin.
Die Akku-Ausdauer des XpressMusic-Handys ist passabel. Mit zwei bis drei Tagen Laufzeit bei mittelmäßiger Nutzung liegt es deutlich über dem, was man von einigen Slidern der Nserie kennt. Es ist sogar möglich, zusätzlich zur normalen Nutzung einen ganzen Tag online zu sein (z.B. mit Fring oder Nimbuzz), dann muss man allerdings doch wieder jeden Abend an die Dose.
Was mir nicht gefällt, ist der verbaute MicroUSB-Anschluss. Ich sehe darin keinen Vorteil gegenüber dem MiniUSB-Anschluss, der nur minimal größer ist, dafür aber viel weiter verbreitet, sodass man davon ausgehen kann, dass man auch bei einem Freund immer ein passendes Kabel finden wird.
___Musik-Player, Browser
Der Musik-Player im Nokia 5800 ist noch immer der gleiche, den man schon aus der 3rd Edition kennt. Wenn also schon nicht die Software, so macht hier wenigstens die Hardware dem Beinamen XpressMusic alle Ehre, denn was aus dem 3,5mm-Anschluss kommt, kann sich mit den richtigen Kopfhörern wirklich hören lassen. Kein Rauschen wie beim Nokia N95, sondern eine Soundqualität, die sich vor namhaften MP3-Player-Herstellern nicht verstecken braucht. Die eingebauten Lautsprecher sind völlig in Ordnung, wenn auch nicht so überragend, wie von Nokia großmundig angekündigt.
Nur wenig angepasst wurde der Internetbrowser, der aber von vornherein schon sehr gut war. Erfreulicherweise wurde auch die Geschwindigkeit mal wieder etwas verbessert. Flash-Unterstützung und das originalgetreuste Seiten-Rendering jenseits eines Computers sprechen für sich. Trotzdem bleiben Verbesserungsmöglichkeiten, die zum Teil auch für das N97 fest vorgesehen sind und per Software-Update auch auf das 5800 kommen könnten: Ein Automatischer Wechsel in den Vollbild-Modus wäre wünschenswert und bei Doppelklick sollte nicht stur auf ein bestimmtes Level gezoomt werden, sondern wie bei vielen anderen Browsern üblich der Inhalt an die Bildschirmbreite angepasst werden.
___Texteingabe
Die Texteingabe ist eigentlich ein Kapitel für sich, da es ja allein schon vier verschiedene Eingabemethoden gibt, die aber jeder Interessierte vermutlich ohnehin schon kennt. Daher hier nur einige Eindrücke, die ich bei der alltäglichen Nutzung gesammelt habe: Die „kleine Qwertz-Tastatur“ und die Handschrifterkennung nutze ich überhaupt nicht, da ich das Gerät quasi ausschließlich mit dem Finger bediene, was bei diesen beiden Eingabemethoden nicht zum Erfolg führt. Die Handschrifterkennung habe ich natürlich trotzdem getestet und sie funktioniert genauso schlecht wie bei WindowsMobile. Nicht schlechter, aber auch nicht besser. Die verbleibenden beiden Eingabemöglichkeiten sind für die Bedienung mit dem Finger vorgesehen: Die herkömmliche Handytastatur alias „alphanumerische Tastatur“ nutzt man am besten, wenn man das Gerät mit nur einer Hand im Porträtmodus verwendet, die „große Qwertz-Tastatur“ dient dagegen der schnellen Texteingabe im Quermodus mit beiden Daumen. Bei beiden Tastaturen empfinde ich das „taktile Feedback“, das minimale Vibrieren bei jedem „Tastendruck“, als sehr hilfreich.
Ich schätze, dass die Volltastatur, obwohl ich mich nach wenigen Tagen Eingewöhnungszeit kaum mehr vertippe, gegenüber der Handytastatur nur einen minimalen Geschwindigkeitsvorteil bringt, aber ich finde es trotzdem wesentlich angenehmer, den Buchstaben drücken zu können, den ich schreiben will, und nicht immer umdenken zu müssen. Gegenüber einem kapazitiven Touchscreen hat man hier den Vorteil, dass man eine „Taste“ doppelklicken kann, ohne den Finger völlig vom Display abzuheben.
Egal, welche Eingabemethode man wählt, man ist nicht schneller als mit einem herkömmlichen Handy mit echten Tasten, es ist höchstens angenehmer. Es ist aber stets mit Zeitverlust verbunden, dass die Tastatur erst eingeblendet werden muss und nach dem Tippen wieder ausgeblendet werden muss, vor allem, da das Handy hierbei seine größten Geschwindigkeitsprobleme offenbart. Grade deshalb ist es schade, dass man nicht wie bei MacOS ohne die Tastatur auszublenden zum nächsten Texteingabefeld springen kann.
____Fazit
Vor 5 Monaten hätte ich das Nokia 5800 nicht gekauft. Es kostete über 400 Euro und war softwareseitig noch nicht ausgereift. Mittlerweile ist es jedoch für deutlich unter 300 Euro zu haben und wurde durch einige Updates deutlich verbessert. Trotzdem muss man S60 wohl gewogen sein, um sich mit der teilweise etwas gewöhnungsbedürftigen Benutzeroberfläche anzufreunden – allerdings: WindowsMobile und vor allem die Eigenentwicklungen verschiedener Hersteller sind wohl noch deutlich gewöhnungsbedürftiger. Trotz allem ist das Gerät durchdacht und Kleinigkeiten wie die blinkende Menütaste, die neue Nachrichten signalisiert, erfreuen den Benutzer. Dazu gibt es bei kleinem Preis ein großes Zubehörpaket mit allen benötigten Kabeln, 8 GB Speicherkarte und einer robusten Schutzhülle. Kleine Verbesserungen an der Benutzeroberfläche werden immer möglich sein, doch man bekommt hier von Nokia ein sehr gutes sehr preiswertes Mobiltelefon, bei dem lediglich an der Kamera etwas zu viel gespart wurde.
[Wenn ich wieder zu Hause bin, werden auch noch ein paar Bilder folgen]
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Hast du dich auch schon mal darüber geärgert, dass man beim Browsen im Vollbildmodus auf dem Nokia 5800 nicht einfach zur letzten Seite zurückgehen kann? Einfach ein neues Fenster öffnen? Oder einfach eine neue URL... Zurück: Mit Nokia Maps im Ausland unterwegs Über Nokia Maps habe ich hier auf Bahn87.de schon mehrfach berichtet, bin dabei aber bisher hauptsächlich auf die kostenlosen Funktionen eingegangen. Als richtiges Navigationssystem finde ich Nokia Maps einfach etwas zu...
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